Mit kleinem und großem Pinsel malen – Der Geiger und Dirigent Nikolaj Szeps-Znaider

Mit kleinem und großem Pinsel malen – Der Geiger und Dirigent Nikolaj Szeps-Znaider

Warum setzt sich ein Star-Geiger mitten in ein Orchester?
Nikolaj Szeps-Znaider erhielt diese Anregung von Daniel Barenboim. Er habe ihn einfach Mahlers 9. Sinfonie oder Strauss‘ „Till Eulenspiegel“ mitspielen lassen. „Für mich hat sich da eine Welt aufgetan. Er hat mir gezeigt, wie man als Musiker denkt und nicht als Instrumentalist.“ In der Tat ist Nikolaj Szeps-Znaider, geboren 1975 in Kopenhagen, ein Universalmusiker im besten Sinne, der nicht nur als Solist glänzt, sondern seit einigen Jahren sich parallel auch eine Karriere als Dirigent aufgebaut hat.

Nikolaj Szeps-Znaider · Foto: Lars Gundersen„Die Sache, die mich beim Dirigieren fesselt, ist, dass wir die Chance haben, mit einem riesengroßen Pinsel zu malen“ und Szeps-Znaider erklärt, dass die Geige ein „viel kleinerer Pinsel“ sei. Beides auf die eigene Art und Weise schön und erfüllend. Steht er vor dem Orchester als Dirigent, bemitleide er die Solisten. Wenn er selber spielt, bedauert er den Dirigenten. Beides habe ihm zu einem besseren Musiker gemacht, toleranter und umsichtiger. Nicht alle Dinge können in einer Probe geklärt werden, umso wichtiger scheint es ihm, Kontakt durch Vertrauen zu schaffen. Dann entstehe etwas, was nicht in den Noten steht. Erste Stationen seiner Ausbildung machte Nikolaj Szeps-Znaider in seiner Heimatstadt Kopenhagen, ging dann in die USA und später nach Wien. 1997 gewann er den renommierten Brüssler Violinwettbewerb „Königin Elisabeth“.

Sein Lehrer Boris Kuschnir sei ein richtiger „Hexendoktor“ gewesen,
der ihm gezeigt habe, dass Technik nur dafür da sei, sich möglichst ohne Einschränkungen auszudrücken. „Die Fähigkeiten, zu gestalten, Leute zu bewegen“ erklärte er in einem Interview, „brauche auch Spiritualität.“ Die erlange man aber eher wenn man sucht und nicht unbedingt, wenn man Antworten findet. Ihm ist es wichtig, sich auf Neues einzulassen. „dann entdeckt man plötzlich Dinge, die einem vorher nicht so wichtig erschienen.“ Dafür ist das erste Violinkonzert von Max Bruch, dass er in Duisburg spielen wird ein wunderbares Beispiel. Er spielte es mit der Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann am Silvesterabend 2016, später unter Semyon Bychkov mit dem Leipziger Gewandhausorchester.

Nikolaj Szeps-Znaider · Foto: Lars Gundersen„Die erste Note des Bruch-Konzerts ist ein langes G. Entweder man behandelt sie als verbindendes Element für den ganzen ersten Satz oder man entscheidet sich dafür, dass sie ein Statement für sich ist. Für welchen Weg man sich auch entscheidet – und es gibt Millionen dazwischen – es wird die nächste Note beeinflussen. Und die Note danach. Deswegen fühlt es sich beim Spielen für mich so an, als würde ich das Stück gerade zum ersten Mal entdecken. Das ist nie langweilig.“

Ein Blick auf die Diskographie des Musikers zeigt: Nikolaj Szeps-Znaider hat mit den „Who is Who“ der renommiertesten Orchester und bekanntesten Dirigenten konzertiert. Vergangene Spielzeit war er Artist in Residence der Wiener Symphoniker. Eine besonders enge Verbindung hat er zum London Symphony Orchestra, mit dem er sowohl als Solist aber auch als Dirigent intensiv zusammengearbeitet hat. Für die Mozart-Violinkonzert-Gesamtaufnahme hat Nikolaj Szeps-Znaider vom Instrument aus das Orchester geleitet – eher ungewöhnlich, kennt man doch meist nur Pianisten, die vom Instrument aus dirigieren. Brahms und Korngold hat er mit den Wiener Philharmonikern unter Valery Gergiev eingespielt. Zwei weitere zentrale Werke in seinem Repertoire: Das Violinkonzert seines Landsmannes Carl Nielsen, das er mit dem New York Philharmonic Orchestra eingespielt hat und Edward Elgars h-Moll Violinkonzert.

Nikolaj Szeps-Znaider · Foto: Lars Gundersen

Auf seiner Geige, einer Guarnerius „del Gesu“ aus dem Jahr 1741, spielte Fritz Kreisler die Uraufführung unter der Leitung des Komponisten Elgar im Jahr 1910. Man kann sich gut vorstellen, wie der Geist der Zeit auf dem Instrument mitschwingt. Immer wieder ist der Geiger davon fasziniert. Das Instrument sei nicht nur optisch und ästhetisch ein wunderschönes Objekt, sondern habe eben auch diese faszinierende Geschichte, vor allem wenn man bedenkt, dass sie „in einer Zeit gebaut wurde, als an so große Konzertsäle, wie wir sie heute kennen, gar nicht zu denken war.“ Als Gastdirigent war bei den führenden Orchestern der Welt zu Gast wie dem Chicago Symphony oder Cleveland Orchester, dem New York Philharmonic Orchestra oder der Staatskapelle Dresden. Im September 2020 wird er Directeur Musical des Orchestre national de Lyon. Auch als Operndirigent an der Semperoper feierte er sensationelle Erfolge und wird nach der „Zauberflöte“ den „Rosenkavalier“ dirigieren und sein Debüt an der Königlichen Oper in Kopenhagen machen.

Große und spannende Aufgaben warten auf den Musiker. Wie geht er mit der Doppelaufgabe und dem vielen Reisen um?
Nikolaj Szeps-Znaider hat eine kleine Familie und die zeige ihm immer wieder, was wichtig sei.
Gleichzeitig genieße er die Zeit auf der Bühne mehr denn je. Überhaupt die Familie: Seit einiger Zeit führt der Musiker seinen alten Namen wieder – statt des verkürzten, weil karrieretechnisch vermeintlich einfacheren Namen Nikolaj Znaider, nennt er sich jetzt wieder Nikolaj Szeps-Znaider – als Referenz an seine Familie, von denen viele Mitglieder während des Holocausts ums Leben gekommen sind.

Anja Renczikowski

In der Spielzeit 2019/2020 tritt Nikolaj Szeps-Znaider in folgenden Konzerten auf:

Nikolaj Szeps-Znaider · Foto: Lars GundersenNikolaj Szeps-Znaider · Foto: Lars Gundersen

Alle Fotos: Lars Gundersen