Gedanken zur englischen Orgel in der Mercatorhalle Duisburg

Ein für englische Orgeln sehr typisches Merkmal ist die Wind­druck­differen­zierung inner­halb ein und des selben Werkes (anders als in Fran­kreich, wo die Differen­zierung zwischen Bass und Diskant erfolgt): sie führt zu der großen Zahl von Wind­laden und Bälgen und zwingt ganz auto­matisch dazu, die Trak­turen elek­trisch anzuspielen – eine mecha­nische Traktur würde bei so vielen Ventilen mit teils sehr hohen Wind­drücken unspielbar schwer­gängig werden. Fünf Ventila­toren speisen vier selbständige Wind­systeme inner­halb der Orgel, an die 20 Bälge angeschlossen sind, die 35 Wind­laden versorgen. Die Wind­drücke beginnen dort, wo sie bei „normalen“ Orgeln aufhören: bei 102 mm Wasser­säule und erreichen den Höchst­wert für die Zungen des Solo­werks und Pedals mit 381 mm Wasser­säule – dem vier- bis fünf­fachen einer normalen Orgel.

Die 4.349 Pfeifen sind sämtlich nach originalen Vorbil­dern aus englischen Orgeln, vor allem der Caird Hall in Dundee von 1923, gebaut. Auffällig sind die Stimm­ringe aus Weiß­blech, die ein schonendes Stimmen ermöglichen, aber auch für die Klang­gebung wichtig sind. Deutschen Einfluss zeigen hingegen die Holz­stöpsel der gedeckten Metall­pfeifen. Eine außer­gewöhn­liche Viel­falt hat der spät­romantische englische Orgel­bau bei den Intonier­hilfen hervor­gebracht: Nicht nur Bärte und Expressionen in verschiedensten Formen, sondern auch die ausgefeilte Kern­spalten­behandlung mit fein differen­zierter Aus­bildung der Phasen und Kern­stiche bis hin zu bestaunens­werten Erfin­dungen wie bele­derten Ober­labien bringen die große, teils extreme und ungewohnte Farbigkeit der Register hervor, ebenso bei den Zungen­stimmen die Details wie Kehlen- und Zungen­formen und Becher­gestaltung. Es sollte keine Kopie entstehen, sondern eine neue Orgel aus unserer Zeit im Stil der englisch-symphonischen Orgel. Nicht nur die Spiel­technik am Spiel­tisch sollte modern sein, sondern die Orgel sollte auch für Musik geeignet sein, die nicht nur der engen Zeit­periode der Spät­romantik (erstes Viertel des 20. Jahr­hunderts) entstammt, bis hin zu franzö­sischer Musik und den Werken Johann Sebastian Bachs. Hier galt es, auch im klang­lichen Bereich das Klang­ideal der englischen spät­romantischen Orgel weiterzudenken.

Der Spieltisch der Eule-Orgel

Spieltisch

Auch Königinnen können regiert werden. Der fahrbare Spiel­tisch beinhaltet in einer über­sicht­lichen Anlage alles, was an der Orgel zum Klingen gebracht werden kann: 4 Manual­klavia­turen mit je 61 und eine Pedal­klaviatur mit 32 Tasten sowie 100 Register­wippen. Orgel­bank und Spiel­tisch­oberteil sind höhen­verstellbar, jeder Organist kann sie so an seine Körpermaße anpassen.

Eine Setzeranlage ermöglicht es, 10.000 Register­kombina­tionen einzu­speichern und per Knopf­druck abzurufen. Gast­organisten können sie auf Chip­karte speichern. Die Verbindung vom Spiel­tisch zur Orgel erfolgt über ein BUS-System per Daten­kabel. So kann der Spiel­tisch an verschie­denen Stand­orten aufgestellt werden.

Spezialitäten wie das Second-touch für das I. und II. Manual, Pizzicato-Bass im Pedal und der Schwell­werks­koppler verfeinern die spiel­technischen Möglich­keiten. Im I. und II. Manual des Spiel­tisches gibt es jeweils eine Second-touch-Funktion, die weitere Pfeifen erklingen lässt, wenn die Taste über einen Druck­punkt hinaus betätigt wird.

Das Second Touch, das auf dem I. und dem II. Manual wirkt, ermöglicht es, über einen zweiten, tieferen Tasten­druck­punkt zusätzliche Register und Koppeln zu schalten, mit denen man Akzen­tuierungen oder Melodie­betonungen erreichen kann.

Genau dafür sind Disposition, Mensuren und Intonation geschaffen, dass die Orgel es vermag ein pianissimo zu spielen, das gerade noch hörbar ist, und ebenso ein Tutti, das prächtig und macht­voll, aber nicht erdrückend wirkt, und dazwischen einen lücken­losen dynamischen Klang­aufbau und eine große Farbig­keit an Einzel­klängen und Klangmischungen bietet.

Jiří Kocourek
Geschäftsführer
Hermann Eule Orgelbau GmbH