Simon Höfele, Artist in Residence

Simon Höfele, Artist in Residence

„Aber was für ein Feuerwerk an Unerhörtem! Welche Fülle an Rhythmen, Klangfarben, Stimmen, Gesängen! Und der Funke springt über, dank Leiden­schaft und Perfektion!“ Eleonore Büning, Musik­redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, war keinesfalls die einzige, die über Simon Höfeles Debüt-CD „Mysteries“ ins Schwärmen geriet. Der 1994 im hessischen Groß-Umstadt geborene Trompeter zählt zu den spannendsten Neuzugängen der europäischen Klassikszene. Er war – teilweise gleichzeitig – „New Generation Artist“ der BBC, „Junger Wilder“ am Konzerthaus Dortmund und „Rising Star“ der europäischen Konzertsaal-­Organisation ECHO. So entdeckungsfreudig, wie er sich der Moderne in all ihren Spielarten widmet, ist Simon Höfele auch im klassischen Repertoire unterwegs. Als „Artist in Residence“ der Duisburger Philharmoniker spielt er neben den berühmten Konzerten von Haydn und Hummel sowie einem facettenreichen Kammermusik-Programm auch HK Grubers „Aerial“ – eine Räume und Zeiten durchschreitende Klangreise von visionärer Wucht.

Lesen Sie das Interview aus dem play! der aktuellen Spielzeit:

Auf der Website des ZDF Morgenmagazins ist ein Video zu sehen, auf dem Sie Gershwins „Rhapsody in Blue“ spielen. Die Studiouhr zeigt 8.56 Uhr an. War das nicht brutal?

Es war sogar noch brutaler. Bei meinem ersten Auftritt war es erst 8.15 Uhr! Klar gibt es angenehmere Uhrzeiten, gerade für uns Blechbläser, aber ich habe mich natürlich darauf vorbereitet und am Ende hat es sehr gut funktioniert. Und wenn man um 9 Uhr fertig ist mit dem Auftritt und den Tag noch vor sich hat – das ist ja auch ganz schön.

Gibt es eine ideale Tages- oder Nachtzeit für Sie? Spüren Sie beim Spielen Ihre biologische Uhr?

Na ja, wenn es allzu früh oder spät ist, dann tut man sich schon mal schwer, zum Beispiel im Süden, wo die Konzerte später anfangen. Da hat man schon den ganzen Tag im Nacken, ist müde, muss aber noch seine Bestleistung bringen. Schwierig ist es auch, mit Jetlag zu spielen, wenn es gefühlt drei Uhr nachts ist. Da hilft dann manchmal nur die wunderbare Erfindung der Espresso-Maschine.

Simon Höfele · Foto: Joy DanaWie sind Sie zur Trompete gekommen?

Mein Vater hat mal eine kleine Deko-Fanfare bei Ebay ersteigert; die hing bei uns an der Wand und hat mich total fasziniert. In meiner Familie sind ja alle Musiker, mein Vater ist Fagottist, meine Mutter Flötis­tin, auch alle Onkel sind Holzbläser. Im Theater, wo meine Eltern arbeiten, konnte ich auch mal Instru­mente ausprobieren, aufs Schlagzeug hämmern, was einem Fünfjährigen ja normalerweise viel Spaß macht. Mich hat das aber nicht so gereizt. Ich habe von Anfang an gesagt: Ich will Trompeter werden.

Wollten Sie denn ursprünglich auch Orchestermusiker werden?

Darüber hatte ich gar nicht groß nach­gedacht. Ich habe sehr gern im Landesjugend­orchester und im Bundesjugendorchester gespielt. Aber dann habe ich Wettbewerbe gewonnen und meine Agentur gefunden, die mir tolle Konzerte vermittelt. Irgendwann wurde das Solistische so viel, dass ich mir sagte, ich mache jetzt erst mal nur das, ich muss nicht auf allen Hochzeiten tanzen.

Sie haben bei dem großen Trompeter Reinhold Friedrich an der Musikhochschule in Karlsruhe studiert. Wie können Sie ihn beschreiben?

Reinhold ist wie ein großer, lieber Papa für mich. Er gibt seinen Schülern viele Freiheiten, lebt sie ihnen auch selbst vor. Er unterrichtet nicht nach Schema, sondern holt jeden Studenten da ab, wo er steht. Irgendwann merkte ich, dass mich der Unterricht bei ihm künstlerisch so selbstständig gemacht hatte, dass ich genau wusste, wie ich ein Stück spielen wollte, auch ohne es mit ihm erarbeitet zu haben.

Sie waren „New Generation Artist“ der BBC, sind als „Rising Star“ der europäischen Konzertsaal-Organi­sation gerade auf großer Tour durch die wichtigsten Säle des Kontinents. Beim Konzerthaus Dortmund gastieren Sie als „Junger Wilder“. Ein Leben im Flugzeug und im Hotel – haben Sie sich das so vorgestellt?

Also, ich kann nur sagen – im Moment gefällt es mir sehr. Keine Ahnung, wie das in 20 Jahren sein wird. Ich lasse alles auf mich zukommen, genieße es, Erfahrungen zu machen, zu reisen, Neues zu ent­decken. Ich habe ja keine Familie, für die ich verantwortlich wäre. Ich habe nur meine Wohnung in Karlsruhe, und wenn ich mit meinen Trompeten von dort aufbreche, ist es jedes Mal wie ein kleines Abenteuer.

Haben Sie Lampenfieber?

Schon, aber nicht so, dass ich die Kontrolle verliere, zittere oder eine Panikattacke bekomme. Ich habe an sich ganz gute Nerven. Lampenfieber ist auch hilfreich, man ist fokussierter, konzentrierter. Besser, man hat ein bisschen zu viel davon als zu wenig – dann steht man nämlich plötzlich da und denkt: Waren das jetzt drei oder vier Takte Pause? Und schon ist es passiert.

Das Repertoire für die Trompete ist ja nicht so besonders groß – auch wenn es natürlich größer ist als allgemein bekannt. Die Hornisten haben es da schon besser.

Das kommt ganz darauf an! In der zeitgenössischen Musik zum Beispiel ist die Trompete dem Horn schon längst davon gerannt. Im 19. Jahrhundert sieht es natürlich anders aus; Brahms, die große roman­tische Kammermusik – so etwas haben wir nicht. Da war das Horn im Vorteil, weil man darauf die weichen, singenden Linien in der Mittellage spielen konnte. Das Trompetenrohr ist viel kürzer, man konnte darauf lange Zeit nur sehr hohe Melodien spielen. Dann kam die Klappentrompete, für die Haydn und Hummel ihre Konzerte geschrieben haben.

Zwei absolute Kernstücke des Repertoires, die Sie beide auch in Duisburg spielen …

Ich liebe beide Stücke sehr, darum habe ich sie auch auf meiner letzten CD aufgenommen. Man spielt diese Konzerte immer wieder, aber mit jedem Orchester, jedem Dirigenten, jedem Saal und jedem Publikum gibt es eine andere Chemie. Das Haydn-Konzert ist ziemlich einfach strukturiert, aber Haydn war so genial, der brauchte einfach nicht viele Töne, um zu zeigen, was er kann. Der einzige Wermuts­tropfen ist, dass es aus dieser Epoche kaum etwas anderes gibt.

Und auch danach kam erst einmal nichts …

… bis zur Erfindung der Ventil-Trompete. Das hat dem Repertoire einen riesigen Schub gegeben, vor allem in Frankreich. Und dann kam der Jazz, in dem die Trompete der absolute Superstar war – denken Sie an Musiker wie Louis Armstrong, Chet Baker oder Miles Davis. Das hat auch die klassische Musik beeinflusst.

Simon Höfele · Foto: Joy DanaJazzeinflüsse gibt es auch im dritten Werk, das Sie im Rahmen der Philharmonischen Konzerte spielen: „­Aerial“ von HK Gruber. Was hat es damit auf sich?

Das ist eines der größten Konzerte unserer Zeit, ein absolut verrücktes Stück, das die Grenzen in jeder Richtung ausdehnt. Man muss nicht nur Trompete und Piccolo spielen, sondern auch singen und auf einem Kuhhorn blasen. Gruber ist ja kein Komponist, der ein technisches „Showoff“ macht oder zeigen möchte, wie avantgardistisch er ist. Alles ist musikalisch motiviert. Das Stück ist aufwändig, man muss es viel üben und proben. Die Orchester­besetzung ist riesig. Es ist monumental, erschlagend – aber in einem absolut positiven Sinne.

Sie werden in Duisburg auch im Rahmen der Kammerkonzert-Reihe zu erleben sein. Da gibt es Gershwins „Rhapsody in Blue“, aber auch Werke von Alexander Arutjunjan, Karl Pilss und Mark Simpson. Ein ziem­liches Raritätenkabinett …

Genau. Aber das macht nichts. Ich bin ein großer Fan von Originaliteratur, auch wenn die Stücke nicht so bekannt sind. Die Pilss-Sonate zum Beispiel ist eine tolle, süffige Musik, sie erinnert an Richard Strauss, man kann schwelgen, zaubern, auch mal ein bisschen kitschig sein. Gerade als „Artist in Residence“ freue ich mich, solche Stücke bekannt zu machen.

In Duisburg gastieren Sie gemeinsam mit der Pianistin Elisabeth Brauß. Wie kam diese Verbindung zustande?

Wir haben uns als „New Generation Artists“ der BBC kennengelernt. Als ich Elisabeth zum ersten Mal gehört habe, dachte ich nur: Wow, was für eine tolle Pianistin! Ich freue mich sehr darauf, dieses Konzert mit ihr zu spielen. Wir haben schon geprobt; ich weiß, dass das wunderbar funktionieren wird.

Neben der Musik ist die Fotografie ein wichtiger Lebensinhalt für Sie. Wie sind Sie dazu gekommen?

2012 habe ich mir eine Kamera gekauft und schnell gemerkt, dass das bei mir weiter geht, als nur etwas dokumentieren zu wollen. Ich liebe besonders die analoge Fotografie, wo man ohne all die technischen Hilfsmittel arbeitet, wo es keine Megapixel und Bildprozessoren gibt. Es geht um den Moment – ähnlich wie in der Musik, aber da kann man ihn nicht fest­halten. Für mich ist die Fotografie auch ein wichtiger Ruhepol. Wenn ich danach zur Musik zurückkehre, fühle ich mich wieder ganz frisch, es ist wie ein Reset.

Simon Höfele · Foto: Joy DanaDie Fotografie spielt auch eine große Rolle bei einer Kulturinitiative, die Sie ins Leben gerufen haben: „Kunstverlust“.

Diese Initiative habe ich mit meinem guten Freund Florian Wetzel gestartet. Begonnen haben wir 2014, als die Einsparungen bei den baden-­württembergischen Musikhochschulen im Raum standen und die Fusion der beiden SWR-Orchester, die ja mittlerweile auch vollzogen wurde. Es geht uns um die Wertschätzung künstlerischer Arbeit und den Erhalt kultureller Einrichtungen. Wir porträtieren Menschen, die sich für diese Sache einsetzen, immer im selben Stil, vor einem schwarzen Hintergrund. Wir schmeißen unser mobiles Studio ins Auto und fahren zu den Leuten hin. Wir waren bei Politikern wie Norbert Lammert oder Wolfgang Thierse, beim Dirigenten Thomas Hengelbrock, bei Clueso und Max von der Groeben …

… sogar bei Ai Weiwei …

Das war besonders spannend! Er gab uns drei Minuten, wusste natürlich genau, was er machen wollte, stellte sich einfach hin, sprach kein Wort – ein krasser Typ. Mittlerweile gibt es über 1000 Bilder, einige sind auf unserer Website, aber wir werden sie demnächst auch erstmals öffentlich ausstellen. Und danach geht es weiter. Wir müssen einfach immer wieder zeigen, wie wichtig unsere Arbeit ist, dass sie den Zusammenhalt in der Gesellschaft fördert und einen Mehrgewinn bietet, der sich nicht in barer Kohle fassen lässt.

Im Internet: www.simon-hoefele.de

Auftritte in der Spielzeit 2020/2021:

Farbfoto: Marco Borggreve
Schwarz-Weiß-Fotos: Joy Dana