Mythen des Nordens
6. Philharmonisches Konzert
Giordano Bellincampi
Dirigent
Dionysis Grammenos
Klarinette
philharmonischer chor duisburg
Duisburger Philharmoniker
Aus sagenhafter Vorzeit, so schien es, stiegen die Gesänge des keltischen Barden Ossian hervor, die 1760 erstmals im Druck erschienen. Dass sie schon wenig später als geschickte Fälschungen entlarvt wurden, hat ihrer Popularität nicht im geringsten geschadet: Das Bedürfnis, einen literarischen Mythos des nordatlantischen Kulturraums zu schaffen, war stärker als jede philologische Einsicht.
Besonders bei den Romantikern standen die naturhaft-raunenden Verse hoch im Kurs. Der Däne Nils Wilhelm Gade widmete ihnen 1840 seine Ouvertüre „Nachklänge von Ossian“, die nordische Melodik und glitzernden Harfenton zu einem Tongemälde von hoher Suggestivkraft verdichtet. Für den jungen Carl Nielsen, der ab 1884 bei Gade in Kopenhagen studierte, hatte sich diese malerische Klangwelt indes bereits überlebt: Sein musikalisches Denken war geprägt von der Idee beständiger Entwicklung und Verwandlung, von einem Formdenken, in dem auch das Ungezügelte und Chaotische seinen Platz hat. Ein markantes Beispiel dafür ist sein 1928 komponiertes Klarinettenkonzert, das dem Soloinstrument einen störfreudigen Partner in Gestalt der kleinen Trommel zur Seite stellt. Das originelle Werk setzt den weit gespannten Nielsen-Zyklus der Duisburger Philharmoniker fort. Solist ist der Grieche Dionysis Grammenos, der 2008 mit gerade einmal 18 Jahren den renommierten Musikwettbewerb der Europäischen Rundfunkunion gewann und seither regelmäßig mit bedeutenden europäischen Orchestern konzertiert.
GMD Giordano Bellincampi stellt dem dänischen Doppel drei Werke aus der Feder von Ralph Vaughan Williams gegenüber, der als Erneuerer der britischen Musik aus dem Geist des elisabethanischen Zeitalters gilt. Gleichwohl war er ein Romantiker durch und durch; das beweisen seine hymnisch flutenden Chorwerke ebenso wie die berühmte Fantasie auf ein Thema von Thomas Tallis – eine von berauschendem Wohlklang getragene Reverenz an den Großmeister der englischen Renaissance.