Kapellmeister im Feenreich

Joseph Haydn als Opernkomponist

Schloss Esterháza, inmitten einer üppigen Park­land­schaft am Neu­siedler See gelegen, zählt zu den schönsten und größten Rokoko-Schlössern Ungarns. Die malerische Anlage gehört zum Welt­kultur­erbe der UNESCO und ist ein viel­besuchtes Touristen­ziel. Das machtvolle Haupt­gebäude, vom Fürsten Nikolaus I. Esterházy zwischen 1763 und 1766 als Erwei­terung eines kleinen Jagd­schlosses angelegt, erinnert nicht ohne Grund an Schön­brunn und Versailles: Nikolaus, der auch den Beinamen „der Pracht­liebende“ trug, wollte sich mit Europas ersten Häuptern messen.

So entfal­tete er in seiner Sommer­residenz viel­fältige Aktivi­täten, zu denen neben Festen, Bällen und Jagden auch Opern- und Theater­auf­führungen zählten. Seinen Sinn für effekt­volle Fest-Insze­nierungen bewies der Fürst auch als ungarischer Gesandter bei der Kaiser­krönung Josephs II. 1764 in Frankfurt – zu dieser Gelegenheit münzte Goethe sein berühmtes Wort vom „Esterházyschen Feenreich“.

„… so musste ich original werden.“
Hofkapellmeister in diesem Feen­reich war seit 1766 Joseph Haydn, der mit der Familie Esterházy beständig zwischen ihren Residenzen in Wien, Eisen­stadt und Esterháza wechselte – im Rang und der Livree eines Haus­offiziers. Dabei oblag ihm im Grunde die gesamte musika­lische Aus­stattung des fürst­lichen Alltags – von geist­lichen Werken für den Gottes­dienst bis zur Tanz­musik für die rauschenden Bälle, von intimer Klavier- und Kammer­musik bis zur groß besetzten Sinfonik. Haydn hat diese Breite seiner Tätig­keit wie auch die Frei­heit, mit der er sie ausüben konnte, sehr geschätzt: „Ich war von der Welt abge­sondert, niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irre machen oder mich quälen, und so musste ich original werden.“

Auch für die Oper war Haydn zuständig, wobei er nicht nur eigene Werke schrieb und zur Auf­führung brachte, sondern auch Opern anderer Kompo­nisten für das Hof­theater ein­rich­tete. Welchen Umfang diese Tätigkeit hatte, mögen zwei Zahlen belegen: Zwischen 1780 und 1790 gingen ganze 96 – eigene wie fremde – Opern durch seine Hände; alleine für das Jahr 1776 sind 125 von Haydn diri­gierte Vor­stellungen doku­mentiert. Sogar für das fürst­liche Mario­netten­theater steuerte er Werke bei, die aber leider größten­teils verloren sind. „Der Apotheker“, der im 12. Phil­harmo­nischen Konzert erklingt, hatte im September 1768 Premiere und wurde danach noch 1770 und 1774 wiederaufgenommen.

In Pension geschickt
„Wenn ich gute Opern hören möchte, dann gehe ich nach Esterháza.“ So ließ sich die Kaiserin Maria Theresia vernehmen – erstaun­lich genug, denn in Wien hatte die Monarchin das reich­haltigste Theater­leben sozu­sagen direkt vor der Türe. Offen­bar war es Haydn gelungen, auch mit den beschränk­teren Mitteln der Provinz ein Niveau zu erreichen, das sich hinter dem der Metro­pole nicht verstecken musste.

Mit diesem Opern­betrieb, wie dem gesamten „Ester­házyschen Feen­reich“, war es indes 1790 vorbei – Nikolaus I. starb und hinter­ließ (was kaum verwundern konnte) beträcht­liche Schulden, die seinen Nach­folger zu beschei­denerer Hof­haltung ve­pflich­teten. Haydn wurde in Pension geschickt, Esterháza verlassen. Das Schloss verfiel und wurde erst um 1900 wieder instand gesetzt.

Das Thema Oper hatte sich für Haydn damit weit­gehend erledigt. Nur ein einziges Mal noch wandte er sich dem Genre zu: „Orfeo ed Euridice“ entstand 1791 auf seiner ersten England-Reise als Auftrags­werk für das Londoner King’s Theatre. Auf­grund einer poli­tischen Intrige wurde die Oper aber nicht aufgeführt und kam erst 1951 in Florenz auf die Bühne. Zu dieser Zeit waren Haydns Opern noch nahezu unbe­kannt; wenn es über­haupt Auf­führungen gab, dann meist in stark gekürzten und ent­stellten Fassungen. So legte der öster­reichische Musik­journalist Robert Hirschfeld 1895 eine deutsche Bearbei­tung von „Der Apotheker“ vor, die bis zum Erscheinen der Urtext-Partitur im Jahre 1959 die einzige publi­zierte Quelle des Werkes blieb. Die Original­fassung wurde erstmals 1982 in Basel gespielt.

Vom Theater auf die Straße
Noch heute ist „Der Apotheker“ – im italienischen Original: „Lo Speziale“ – auf den inter­natio­nalen Bühnen ein viel zu seltener Gast. Umso verdienst­voller die Initia­tive der Regisseurin Eva Buchmann und des Diri­genten Jan Willem de Vriend, die mit ihrer reise­freudigen Insze­nierung den Ruhm des Werkes in den letzten Jahren bereits nach Köln, Frankfurt, Luxemburg, Zürich und Barcelona getragen haben. In ihrer lang­jährigen Zusammen­arbeit haben die beiden einen Theater­stil entwickelt, der alles Formelle und Zere­monielle abstreift, die Oper aus dem Musen­tempel in den Alltag bringt und dabei auch den direkten Kontakt zum Publikum sucht – ganz im Geiste des alten Straßen­theaters, das in der italienischen Buffo-Oper auf wunder­bare Weise überlebt hat.

12. Philharmonisches Konzert

Duisburger Philharmoniker
Jan Willem de Vriend Dirigent
Piotr Micinski Bass (Sempronio)
Marina Zyatkova Sopran (Grilletta)
Alvaro Zambrano Tenor (Mengone)
Virpi Räisänen Sopran (Volpino)
Eva Buchmann Regie

Joseph Haydn
Lo Speziale (Der Apotheker) Hob. XXVIII:3
Komische Oper in drei Akten

Halbszenische Aufführung

Mi 30. Juni / Do 01. Juli 2021, 20.00 Uhr
Philharmonie Mercatorhalle

Foto Schloss Esterháza: Wikimedia/zairon