Pacho Flores

Artist in Residence 2024/2025

Der Trompeter wurde 1981 in San Crisóbal in Venezuela geboren. Ersten Musikunterricht erhielt er mit acht Jahren von seinem Vater, einem enthusiastischen Bandleader und Trompeter. Danach war er Teil von „El Sistema“, einem einzigartigen sozialen Musikprojekt, und wurde Solotrompeter im renommierten Simón-Bolívar-Jugendorchester, das sich mittlerweile in Orchesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela umbenannt hat. Nachdem er mehrere bedeutende Wettbewerbe gewonnen hatte, darunter die Maurice André International Trumpet Competition, machte er weltweit als Trompeter auf sich aufmerksam. Unter Gustavo Dudamel war er bereits mit den Los Angeles Phiharmonic in der Hollywood Bowl zu erleben, außerdem spielt er mit Orchestern wie dem San Francisco Symphony, dem NHK Symphony Orchestra, dem Minnesota Orchestra oder dem hr-Sinfonieorchester Frankfurt. Als Exklusivkünstler des Traditionslabels Deutsche Grammophon hat Pacho Flores bereits mehrere Alben veröffentlicht, was ihm unter anderem eine Nominierung für die Latin Grammy Awards 2023 einbrachte. Pacho Flores lebt heute in Valencia in Spanien, wo er gemeinsam mit der Instrumentenfirma Stomvi neue Instrumente entwickelt und regelmäßig Kompositionsaufträge an zeitgenössische Komponist:innen vergibt.

Einfach Musik

Von Bjørn Woll

In der Fachpresse wurde Pacho Flores bereits als „einer der besten Trompeter weltweit“ bejubelt. Dabei ist er nicht nur ein versierter Instrumentalist, zu Hause in den verschiedensten musikalischen Stilen, sondern auch ein erfolgreicher Komponist. Vor allem aber ist er ein begnadeter musikalischer Kommunikator, der den Austausch mit dem Publikum liebt. Als Artist in Residence zeigt er in der Spielzeit 2024/2025 den ganzen Facettenreichtum seiner künstlerischen Persönlichkeit.

Es sind spannende Momente, wenn man einen Künstler zum ersten Mal erlebt. Egal ob auf der Bühne oder im Gespräch: Es geht um den gemeinsamen Austausch und darum, Geschichten zu erzählen, in Tönen oder mit Worten. Und schon nach wenigen Augenblicken im Videochat wird klar: Pacho Flores ist ein fesselnder Geschichtenerzähler mit einer geradezu ansteckend guten Laune. „Mein Vater war Buchhalter und Musiker, er spielte selbst Trompete. Er war zwar kein Profimusiker, aber mehr als ein Amateur. Er hatte einfach einen grenzenlosen Enthusiasmus für die Musik“, sprudelt es aus ihm heraus auf die Frage, wie er denn die Trompete für sich entdeckt habe. Er, der in San Cristóbal geboren wurde, einer Stadt in den venezolanischen Anden.

Allerdings ist er sich nicht ganz sicher, ob es wirklich seine eigene Wahl war, oder ob die Trompete nicht vielmehr ihn ausgewählt hat. „Mein Vater hat ein großes Studio in unser Haus gebaut“, erinnert er sich an seine Kindheit, „und manchmal probte er dort mit 30 oder 40 Musiker:innen mit den verschiedensten Instrumenten. Ich hätte mich also auch für Klarinette, Saxofon, Posaune oder Schlagzeug entscheiden können.“ Am Ende hatte die Trompete aber die Nase vorn. „Ich habe mich in den Sound der Trompete verliebt, weil er so raffiniert und vielseitig ist. Gleichzeitig haben wir in Lateinamerika verschiedene karibische Stile wie Salsa oder Merengue, in denen die Trompete ein wichtiger Protagonist ist.“

Wenn Pacho Flores von „der“ Trompete spricht, meint er allerdings nicht ein einzelnes Instrument, sondern die ganze Familie – und die ist groß im Fall der Trompete. Rund 40 verschiedene Instrument hat er in seinem Studio zu Hause, für jede Tonlage und jede Klangfarbe ein anderes: „Das Flügelhorn klingt zum Beispiel warm und weich, während die Trompete den typisch strahlenden Blechbläserklang hat. Klanglich dazwischen liegt dann das Kornett.“ Unter anderem spielt er ein Instrument mit vier Ventilen statt der üblichen drei. „Das ermöglicht einen größeren Tonumfang und eröffnet der Trompete eine Vielzahl neuer Möglichkeiten“, sagt Pacho Flores, der in den letzten Jahren sein Instrument durch zahlreiche Impulse im Instrumentenbau stetig weiterentwickelt hat. Das ist auch der Grund, warum er von Venezuela nach Valencia gezogen ist, wo er mit Anfang 40 mittlerweile zu Hause ist. Denn dort ist mit der Firma Stomvi einer der prominentesten Trompeten-Hersteller beheimatet. Seit 2002 arbeitet der Musiker eng mit dem Instrumentenbauer zusammen, mehr als 100 Innovationen haben sie bisher gemeinsam für die Trompetenfamilie entwickelt. „Vor einigen Jahren habe ich zum Beispiel ein Konzert für Flügelhorn geschrieben. Eigentlich steht das Flügelhorn in C, aber für dieses Stück haben wir mehrere neue Instrumente entwickelt: eins in C, ein tiefes in A, das ein bisschen wie eine Posaune klingt, und ein Piccolo-Flügelhorn für die hohe Lage.“

Spätestens jetzt wird klar, dass Pacho Flores als Künstler ebenso vielseitig ist wie sein Instrument. Er ist Musiker, Instrumentenbauer, Arrangeur und Komponist in Personalunion – für ihn das Natürlichste auf der Welt, weil das eine unmittelbar mit dem anderen zusammenhängt, wie er sagt. „Warum ich komponiere? Vielleicht weil ich gerne improvisiere, und das ist für mich bereits komponieren. Ich schaffe neue Musik, auch wenn ich die nicht notiere, sondern sie nur für den Augenblick ist. Aber am Ende ist es dieselbe Seite einer Münze.“ Es ist ein seltener Glücksfall, dass bei Pacho Flores alles so natürlich zusammenfließt, weil er damit Grenzen versetzen und erweitern kann. Er kann zum Beispiel neue Musik komponieren, ohne an die Grenzen des Instruments denken zu müssen. Er kann die Grenzen eines Instruments erweitern und damit auch anderen Komponist:innen neue Möglichkeiten eröffnen. „Das ist auch der Grund, warum ich regelmäßig Kompositionsaufträge vergebe. Weil ich damit neue Möglichkeiten für mich und andere Musiker:innen schaffen möchte.“

Einer der Komponisten, mit denen er eng zusammenarbeitet, ist Paquito D’Rivera, der sein „Concerto Venezolano“ eigens für Pacho Flores geschrieben hat. „Er ist eine echte Legende“, sagt Flores über den kubanischen Komponisten, der in seinem Werk meisterhaft klassische Musik mit populären Stilen verbindet. Unter anderem treffen darin verschiedene Tänze aufeinander – aus der kubanischen Heimat des Komponisten stammt zum Beispiel der Danzón, während der Joropo eine Art heimliche Nationalhymne von Venezuela ist. Diese enge Verbindung mit der Musik seiner lateinamerikanischen Heimat finden wir auch in den eigenen Werken von Pacho Flores. Zum Beispiel in „Cantos y Revueltas“, das sich am ehesten mit „Lieder und Tänze“ übersetzen lässt. Auch darin spielt der Joropo eine zentrale Rolle. „Es gibt aber auch Gesänge, die an die Lieder erinnern, die von den Bauern in den entlegenen Bergregionen beim Melken der Kühe gesungen werden.“ Außerdem gibt es in „Cantos y Revueltas“ mit der Cuatro ein zweites Soloinstrument neben der Trompete: Es ist eine Art Gitarre und das Nationalinstrument Venezuelas. „Der besondere Rhythmus, mit dem sie gespielt wird, erinnert an den Klang der Pferdehufe auf den weiten Ebenen.“

Auch hier zeigt sich wieder die enorme Vielseitigkeit von Pacho Flores, der sich in keine stilistische Schublade stecken lässt. „Musik ist Musik, hat mein Vater immer gesagt. Es gibt keine Grenzen in der Musik, vergiss das nie!“ Diesen Ratschlag hat er beherzigt, wechselt virtuos zwischen Klassik und Jazz, zwischen Tango und Barock, zwischen Haydn und lateinamerikanischer Musik. „In der Musik geht es immer um Emotionen, um den richtigen Groove. Mein Vater hat immer gesagt: Es ist egal, ob du Piazzolla oder Tschaikowsky spielst, solange du es mit Hingabe tust.“

Diese Leidenschaft und Vielseitigkeit zeigt Pacho Flores auch im Rahmen seiner Residenz in Duisburg in verschiedenen Konzerten und Formaten, ist mal Solist mit den Philharmonikern, macht Kammermusik zusammen mit Gitarre oder glänzt mit dem prächtigen Klang der Orgel um die Wette. Und natürlich stehen auch einige seiner eigenen Kompositionen auf dem Programm. Zum Abschluss des Gesprächs greift er dann noch spontan zur Cuatro und singt dazu mit seiner leicht rauen Stimme und einer ansteckenden Musikalität. Was kann der Mann eigentlich nicht?

Musik mit Freunden
Als Artist in Residence hat Pacho Flores nicht nur die unterschiedlichsten Instrumente im Gepäck und zeigt seine verschiedenen künstlerischen Facetten als Musiker und Komponist, er hat auch gleich noch einige enge Freunde und musikalische Wegbegleiter nach Duisburg eingeladen. Im 5. Philharmonischen Konzert unterstützt ihn zum Beispiel der venezolanische Cuatro-Spieler Leo Rondón. „In Venezuela kann fast jeder Cuatro spielen“, sagt Pacho Flores, „aber was Leo auf der Cuatro vollbringt, ist echt von einem anderen Stern.“

Mit einer ähnlichen Bewunderung spricht er über den ebenfalls aus Venezuela stammenden Jesús „Pingüino“ González, mit dem zusammen er ein Kammerkonzert in Duisburg gibt. „Er ist ein Multitalent, er komponiert, spielt Mandoline, Cuatro und Kontrabass, vor allem aber ist er ein herausragender Gitarrist, eine Art Paganini der spanischen Gitarre.“ Gemeinsam haben die beiden ein spannendes Programm zusammengestellt – mit Werken lateinamerikanischer Tonschöpfer und eigenen Kompositionen.

Als Dritter im Bunde gesellt sich noch Carlos Paterson dazu, der wie Pacho Flores in Valencia lebt und Professor für Orgel am dortigen Konservatorium ist. „Das Repertoire für Orgel und Trompete haben wir schon gemeinsam im Studio aufgenommen, jetzt freue ich mich darauf, es dem Publikum in Duisburg live zu präsentieren.“

Nationalsport Musik
Es ist die vielleicht größte Musikschule der Welt: Venezuelas Erfolgsprojekt „El Sistema“, das jungen Menschen eine musikalische Ausbildung ermöglicht, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Als „Wunder“ bezeichnet Pacho Flores das einzigartige Ausbildungssystem, dem er selbst viel zu verdanken hat. Als das Simón-Bolívar-Jugendorchester auf Einladung von Claudio Abbado zum ersten Mal nach Deutschland auf Tournee kam, war er Solotrompeter im Orchester, dessen Chefdirigent damals der junge Gustavo Dudamel war. „Ganz ohne akademische Ausbildung kann man in ganz jungen Jahren bereits Teil eines Orchesters sein und voneinander lernen. Gemeinsam Musik zu machen wird so zu einer ganz natürlichen Sache“, sagt Pacho Flores. „Es ist verrückt: Venezuela hat noch nie an einer Fußballweltmeisterschaft teilgenommen, aber Hunderttausende Kinder und Jugendliche opfern freiwillig ihre Freizeit für die Musik. Das ist unser Nationalsport.“ Noch immer kehrt Pacho Flores regelmäßig in seine Heimat zurück, um zu unterrichten und sein Wissen mit der jungen Generation zu teilen, „weil ich etwas von dem zurückgeben möchte, was ich selbst erfahren durfte. Es ist eine Möglichkeit, mit den Mitteln der Musik eine bessere Gesellschaft zu schaffen, gerade in einem Land wie Venezuela mit seinen Problemen.“

Auftritte in der Spielzeit 2024/2025:

Pacho Flores muss seine Teilnahme am 2. Toccata-Konzert 2025 leider absagen. Der Trompeter organisiert gemeinsam mit Stardirigent Gustavo Dudamel am gleichen Tag der Toccata ein Benefizkonzert zu Gunsten der Flutopfer in Valencia – eine Herzensangelegenheit des Wahlspaniers Flores.

Auftritte in der Spielzeit 2025/2026:

  • Toccata · Sa. 07. März 2026

Fotos: Pacho Flores