Interview mit dem delian::quartett

Interview mit dem delian::quartett

Herr Moscho, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Peter Shub, also einem der weltweit renommiertesten Clowns?

Andreas Moscho: (lacht) Das ist tatsächlich eine Geschichte für sich. Vor circa 25 Jahren lernte ich Peter selbst kennen. Damals spielte ich in einem Kammerorchester, das im Konzerthaus Dortmund in ein Programm mit dem Zirkus Roncalli involviert war. Die Artistik wechselte sich dort allerdings ohne größere Berührungspunkte mit der Musik ab. Peter Shubs Auftritte bewunderte ich in jedem unserer Konzerte: Was er tat, war witzig und zugleich ungeheuer berührend und facettenreich. Darin lag ein so liebevoller Blick auf das Leben und auf die Menschen im Saal, dass ich mir auf der Stelle wünschte, irgendwann einmal ein Projekt nur mit diesem wunderbaren Clown zu gestalten. Dann gründeten wir das delian::quartett, und eine lange Zeit später erst trafen wir Peter wieder und kamen spontan hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit ins Gespräch. Für beide Seiten war klar, dass Musik und Clownerie diesmal wirklich Hand in Hand gehen mussten. Sie sollten sich gegenseitig verstärken, illustrieren oder konterkarieren. Es ging also darum, Klänge zu suchen, die dem atmosphärisch maßgeschneidert sind, was Peter gerade auf der Bühne treibt. Und Peter wiederum wollte Neues erfinden, das zu den Stücken passt, die sich unser Quartett für unsere Zusammenarbeit wünschte. Am Ende ist unser gemeinsames Projekt ein echter Glücklichmacher geworden und ein Jungbrunnen für die Seele, der schlicht Spaß macht. Auch in Duisburg werden wir pannenreich alles tun, was sich in einem „heiligen“ klassischen Konzert eigentlich überhaupt gar nicht gehört. Unser Publikum darf zusammen mit uns mit den Tabus des Klassikbetriebs brechen. Das wird höllenlustig, und unsere Besucher bedauern immer, wenn sie nach dem Konzert schon nach Hause gehen müssen.

Wie findet man für ein solches Programm die Musik? Ich stelle mir das als recht aufwändige Recherchearbeit vor …

Das geschah im Zuge eines regen Austauschs: Teils haben wir im Quartett Musik gesucht zu Peter Shubs Kunststücken, teils hat er gemeinsam mit uns Kunststücke erdacht zu unserer Musik. Und in den Proben mit ihm sind wieder andere Ideen entstanden, die wir mit kindlicher Freude ausprobiert haben und die nun im Konzert manchem Augenblick eine neue Richtung geben. Wichtig war uns von Beginn an eine abwechslungsreiche Dramaturgie des Programms. Kein Mensch kann anderthalb Stunden lang durchkichern. Das wäre mühsam, und die Komik verlöre ihren Wert. Uns lag am Herzen, nicht bloß eine Reihe von Schenkelklopfern zu schaffen, sondern dazwischen auch stille Momente, in denen das Lächeln eine andere Färbung hat. So klingt im wohl anrührendsten Moment des Konzerts Beethovens Cavatina aus seinem Streichquartett op. 130, und Peter Shubs Darstellung zu dieser bewegenden Musik ist voller Wehmut. Zugleich ist klar, dass ein Format wie „Sidekick“ nur funktioniert, wenn beide Künste, Clownsakrobatik und Musik, auf höchstem Niveau ausgeübt werden und mit Respekt vor der gegenseitigen Sache.

Sie sind in Duisburg ja gleich zweimal zu erleben. Neben dem Programm mit Peter Shub auch mit Bachs „Kunst der Fuge“, kombiniert mit Videoinstallationen des Piedra Mudra LAB. Was erwartet das Publikum beim zweiten Konzert?

Das zweite Konzert lässt unser Publikum in surreale Welten eintauchen. Bekanntermaßen hat Bach seine „Kunst der Fuge“ nach mathematisch fassbaren Regeln komponiert. Die Bilder, die am Sonntag zu sehen sein werden, sind durch die Algorithmen der „Kunst der Fuge“ inspiriert. Mit jedem Kontrapunkt betritt man optisch einen neuen Raum, den man durchwandert. Ein großes Anliegen unseres delian::quartetts besteht darin, unser Publikum von der Idee zu erlösen, diese „mathematische“ Komposition, die selbst Musikwissenschaftlern ein Rätsel geblieben ist, im Augenblick des Konzerts in Gänze erfassen zu müssen. Die „Kunst der Fuge“ ist nicht nur ein architektonisches Wunder, sondern zugleich eben auch unheimlich tolle, emotionale und persönlichkeitsreiche Musik. Das gerät vor lauter „Verstehensdruck“ oft in Vergessenheit. Die Bilderwelten sind nicht nur aus musikwissenschaftlicher Sicht einzigartig: Sie ermöglichen unseren Besuchern, sich entspannt zurückzulehnen und einfach nur ein überwältigendes Konzerterlebnis zu genießen.


Das delian::quartett ist ja ein hervorragendes und international gefeiertes Ensemble. Was bewegt Sie dazu, so viele Programme mit Gästen und ganz anderen Konzepten zu machen. Auch ein reiner Quartettabend mit ihnen ist ja schon ein Highlight.

Eine besondere Motivation für uns als Streichquartett ist es, neue Türen zu öffnen, den Staub von vermeintlich musealer Musik zu pusten. Auch hinter unseren Quartettabenden steht immer eine starke Idee, und es gibt eine innere Logik, einen roten Faden, der die teils uralten Klänge in frischem Licht erstrahlen lässt.
Wenn wir mit Gästen teils gar anderer Genres arbeiten, dann ermöglicht uns dies nicht bloß die Erweiterung des Repertoires oder von Grenzen der Klassikwelt. Es inspiriert unsere eigene Arbeit, ab und zu über den Tellerrand hinauszublicken. Nicht zuletzt hilft uns unsere besondere Art der Projekt-Gestaltung, das, was wir tun, im Jetzt zu verankern. Unsere Musik soll heutig sein und für alle und jeden. Klassische Musik ist ein unverändert wichtiger Teil des Lebens. Und es hilft, wenn sie erlebt wird, nicht bewundert.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Freude bei den Konzerten in Duisburg!