Kurt Rehm – Phantasie im Mikrokosmos

Die Werke von Kurt Rehm bringen den Betrachter zum Staunen: In seinen Bleistiftzeichnungen, die in dieser Saison die Philharmonischen Konzerte illustrieren, entfaltet sich auf kleinstem Raum ein wahrer Mikrokosmos von abstrakten Formen, die sich zu bildfüllenden Kompositionen fügen. Seine farbigen Papierschnitte haben ihren ganz eigenen Rhythmus, denen im Wechsel von Rundung und Spitzen und fließenden Konturen oft ein fast schon tänzerischer Charakter innewohnt. Überall greifbar ist eine improvisatorische Spielfreude, mit der Rehm sein Material erkundet und Formen ausbalanciert.

Kurt RehmAuch wenn der Künstler betont, dass seine Bilder nicht von Musik inspiriert seien, so sind die Parallelen doch unverkennbar: Klarheit, Transparenz und Formstrenge, die sich zu einem poetischen Kosmos zusammenfügen – das trifft auch für viele Werke der klassischen Musik zu. Verwunderlich ist das nicht, denn seit frühester Jugend interessiert sich Rehm leidenschaftlich für Musik. Als Zwölfjähriger war er von der Welt der Oper fasziniert und wirkte als Komparse im Duisburger Opernhaus mit. Bevor er sich endgültig für die Malerei entschied, beschäftigte er sich auch mit eigenen Kompositionen. Verblüffend ist die Schnelligkeit, mit der er Werktitel und Opuszahlen parat hat – und das auch bei Komponisten, deren Namen weniger bekannt sind. Dazu kommt eine profunde Kenntnis der Musik, gepaart mit einem nuancenreichen Gespür für die Beurteilung von Interpretationen. Als großer Verehrer Gustav Mahlers erhielt er Anfang der 1960er Jahre einen Brief von dessen Witwe Alma Mahler. Das war der Beginn einer weiteren Leidenschaft: Der Künstler besitzt eine beachtliche Sammlung von Musiker-Autographen. Was ihn hier beeindruckt, zeigt wiederum Verwandtschaft mit seinem eigenen künstlerischen Schaffen: „Das Spannende ist das Kalligraphische. Schriften spiegeln die Persönlichkeit wider.“ Kurt Rehms Werk bietet jedem Betrachter die wunderbare Möglichkeit, ganz eigene Perspektiven zu entwickeln. In ihren vielfältigen Strukturen – Ergebnis einer nie ermüdenden Fantasie – sind seine Arbeiten geradezu prädestiniert, den musikalischen Programmen der Philharmonischen Konzerte an die Seite gestellt zu werden.

Anja Renczikowski

Kurt Rehm, geboren 1929 in Duisburg. 1951/52 Studium an der Kunstakademie Stuttgart bei Willi Baumeister. Nach der umfang­reichen Retrospektive des in Mülheim an der Ruhr beheimateten Künstlers, die das Kunstmuseum Bochum im Jahr 2004 gezeigt hat, werden dort vom 22. November 2014 bis 25. Januar 2015 Arbeiten Kurt Rehms zu sehen sein, die im vergangenen Jahrzehnt entstanden sind.