Zum 200. Geburtstag von Clara Schumann
Bild einer facettenreichen und widersprüchlichen Ikone
Zwischen den Proben in Duisburg zur „Götterdämmerung“ und der in Stuttgart für das 1. Profile-Konzert am kommenden Sonntag, erzählt Cellistin Anja Schröder auf dem Weg zum Bahnhof von ihrem Herzensprojekt. „Clara Schumann ist eine unglaublich interessante Frau und ein Vorbild für mich“, erzählt sie. Schon vor einiger Zeit hat sie sich mit der befreundeten Schauspielerin Veronika Maruhn über die Komponistin, Pianistin, Herausgeberin und Pädagogin ausgetauscht, fasziniert von den unzähligen Briefen und Dokumenten, die erhalten sind und das Leben Clara Schumanns nachzeichnen.
Nun zum 200. Geburtstag haben sie gemeinsam ein besonders reizvolles Programm zusammengestellt. Am 13. September 2019 feierte die Musikwelt in Leipzig, Baden-Baden, Frankfurt, Düsseldorf und vielen anderen Städten das Jubiläum mit Konzerten und Ausstellungen. In Duisburg gibt es neben den bekannten Werken der Komponistin Clara Schumann, den Liedern und dem Klaviertrio, Szenen mit Figurenspiel und Lesungen. „Ich bin beeindruckt von ihrer Lebensleistung, als Frau und Mutter von acht Kindern, daneben hat sie konzertiert und die Konzertreisen selbst organisiert“, erklärt Anja Schröder. „Wir wollten sie als Persönlichkeit in den Vordergrund stellen – nicht sie als ‚Frau von …‘ oder ‚Tochter und Wunderkind von …‘ zeigen.“
Der Zugang zur Person Clara Schumann erfolgt „intuitiv“ mit einer Textcollage, die Veronika Maruhn aus Zeitungsauszügen, Tagebucheintragungen, Briefen von Clara Schumann und Zeitgenossen, sowie Texten und Gedichten zusammengestellt hat. Sie stellen das Wunderkind Clara der erwachsenen und gereiften Künstlerin gegenüber und lassen damit ganz assoziativ das Leben und Wirken dieser bemerkenswerten Künstlerin und Frau Revue passieren. Spannend sind auch der Wechsel der Perspektiven und ein Blick auf eine Person, wie man sie heute mit anderen Augen betrachtet als noch vor einigen Jahrzehnten. „Sie hatte gar keine Wahl, sie musste konzertieren, um ihre Kinder zu ernähren. Vor einiger Zeit galt sie noch als Rabenmutter, die ihre Kinder im Stich gelassen hat, heute sieht man ihre Leistung, wie sie es als Frau geschafft hat in dieser Zeit, wo es überhaupt nicht üblich war, den Lebensunterhalt für eine Familie alleine zu verdienen.“
Dass sie nebenher noch die Werke ihres Mannes herausgegeben hat und eine der angesehensten Konzertpädagoginnen ihre Zeit war und damit auch auf diesem Gebiet eine direkte Konkurrentin von Franz Liszt, beeindruckt Anja Schröder besonders. Zudem war sie – und das ist bis heute fast unbekannt – eine Pionierin in Sachen Konzertrepertoire. Die Musik Ludwig van Beethovens lag ihr neben den Werken ihres Mannes – die ohne sie sicherlich nicht so populär geworden wären – besonders am Herzen. Auch die Werke Johann Sebastian Bachs gehören dazu und nicht zuletzt eine kluge und sensible Zusammenstellung der Werke für ihre unzähligen Konzertabende in ganz Europa.
Und dennoch – Selbstzweifel, das ambivalente Verhalten ihres Mannes und die Tatsache sich selbst nicht am Geniediskurs der konzertierenden Komponisten ihrer Zeit zu beteiligen, erschwerten die Sicht auf ihr Lebenswerk. Doch eines bleibt stets im Fokus: Musik – jenseits von Starallüren (und Tastenstar war sie unumstritten) – um ihrer selbst willen. Auch ein Thema, das bis heute brandaktuell ist. „Es geht doch nichts über das Selbstproduzieren“, schreibt Clara Schumann wehmütig, als ihr als junge Ehefrau und Mutter die Zeit zum Komponieren fehlt. „Und wäre es nur, daß man es täte um diese Stunde des Selbstvergessens, wo man nur noch in Tönen atmet.“
Anja Renczikowski
Abbildungen:
Clara Schumann · Wikimedia, Autotypie von Franz Hanfstaengl
Anja Schröder
Veronika Maruhn · René Knoop
Clara Schumann · Wikimedia, Pastell von Andreas Staub